Ein Beispiel aus der Praxis
In der Falle
Jung und einsam war Irina* – und damit ein leichtes Opfer für Menschenhändler. Sie blieb in der Schlinge hängen, die eine «Freundin» ausgelegt hatte.
«Ich war erst drei Jahre alt, als die Behörde mich und meine Schwester von unseren Eltern trennten», beginnt Irina ihre Geschichte. «Sie brachten uns in die Ukraine in ein Heim. Elf lange Jahre musste ich es dort aushalten. Erst mit 14 kam ich zurück nach Moldawien. Es war mein Heimatland – und doch fühlte ich mich heimatlos und leer. Zwar begann ich eine Ausbildung an einer Berufsschule, aber ich war todunglücklich. Die Leere in mir, die mangelnde Zuwendung und der Verlust der Eltern nagten tief. Schliesslich hielt ich es nicht mehr aus und haute ab.»
In jener Zeit lernte Irina eine Frau kennen, die ihr zur Freundin wurde. «Geh doch nach Russland, da findest du Arbeit», riet diese. Das liess Irina neue Hoffnung schöpfen. Gut gelaunt packte sie ihre Sachen, bereit, ihr Leben wieder anzupacken. Aber alles kam anders.
Jahrelanger Albtraum
In Russland warteten Menschenhändler auf Irina und nahmen ihr den Pass weg. Danach brachten sie sie in eine Wohnung, wo es noch andere Mädchen gab. Es folgte ein acht Jahre langer Albtraum. Irina musste sich prostituieren und Drogen einnehmen. Manchmal liessen ihre Peiniger sie hungern. An Flucht war nicht zu denken. Die Zuhälter waren überall und reagierten sehr aggressiv, wenn sie vermuteten, eine ihrer Gefangenen wolle fliehen. Einmal, es war 2010, fasste Irina Mut und ging zur Polizei. Doch anstatt ihr zu helfen, brachten die Beamten Irina zum Zuhälter zurück, der sie brutal bestrafte. Als sie später schwanger wurde, kam wieder etwas Hoffnung auf. Die dauerte aber nur kurz. Der Zuhälter zwang sie zur Abtreibung und brachte sie darauf in die Türkei, wo sie weiter ausgebeutet wurde.
Licht in der Finsternis
Frei kam Irina erst, als die türkische Polizei den Händlerring auffliegen liess und die Zuhälter verhaftete. Irina wurde nach Moldawien zurückgebracht und kam in das Schutzhaus. Sie war im dritten Monat schwanger. Endlich erhielt sie die Hilfe, die sie schon lange gebraucht hätte. Ein intensiver Aufarbeitungsprozess begann, begleitet von medizinischer Hilfe. Irina machte bei Einzel- und Gruppentherapien mit, erlernte viele Handfertigkeiten und wurde offener und beziehungsfähiger. Auch nach Gott suchte sie und fand schliesslich Halt im christlichen Glauben. Während ihres Aufenthalts im Schutzhaus fand Irina heraus, dass ihre Schwester in Deutschland wohnt und verheiratet ist. Die Schwestern waren sehr glücklich, einander wieder gefunden zu haben. Irina wurde nach Deutschland eingeladen. Sie könne bei ihr wohnen und das Kind in Deutschland gebären, bot die Schwester an. Das macht Irina glücklich, sie hat wieder Hoffnung.
*Name zum Schutz der Betroffenen geändert